Viagras Erben: Wann Potenzmittel helfen und wann nicht.
W underpille ist eine der weniger seriösen Umschreibungen für das Potenzmittel Viagra. Vor einigen Monaten ist der Patentschutz des Pharmakonzerns Pfizer für das Medikament ausgelaufen.
Seitdem sind rund zwei Dutzend andere Hersteller am Markt, die das Mittel mit dem Wirkstoff Sildenafil unter anderen Namen verkaufen. „Der Absatz hat sich verdreifacht“, sagt Wolfgang Bühmann, Sprecher des Berufsverbandes Deutscher Urologen in Düsseldorf. „Den Männern war es wohl bisher doch zu teuer.“
Früher habe man für 100 Milligramm Sildenafil zwischen zehn und zwölf Euro bezahlt, erzählt Bühmann. „Der Preis hat sich gedrittelt bis geviertelt.“ Nicht verwunderlich ist es, dass nun deutlich mehr Männer als früher zu dem Potenzmittel greifen, das die Zu- und Abfuhr des Blutes im Penis besser reguliert. Diese Männer sollten vor dem Einsatz des Medikaments aber erst medizinisch abklären lassen, welche Ursache ihrer Erektionsstörung zugrunde liegt.
„In den 90er Jahren hat man gedacht, Erektionsstörungen seien zu 90 Prozent Kopfsache. Dann hat man festgestellt, dass ein Großteil doch organisch bedingt ist. Wobei irgendwann natürlich der Kopf eine Rolle spielt“, berichtet Prof. Frank Sommer, Experte für Männergesundheit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Selbstbefriedigung ist was anderes als Geschlechtsverkehr.
Viele Männer glaubten, solange sie sich selbst befriedigen können oder morgens eine Erektion haben, sei alles in Ordnung. „Das ist aber etwas ganz anderes, als Geschlechtsverkehr zu haben.“
Medizinisch müsse der Penis einen Druck von 120 bis 140 Zentimeter Wassersäule überwinden, um in die Vagina einzudringen, erläutert Sommer, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit ist. Um für sich selbst ein befriedigendes Ergebnis zu haben, reiche dem Mann aber schon die Hälfte dieses Drucks. Der Professor erinnert deshalb eindringlich an einen medizinischen Grundsatz: „Vor der Therapie steht die Diagnose.“
Dazu gehören Sommer zufolge mehrere Komponenten. Zunächst sollte ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten stattfinden. Dann kommt die körperliche Untersuchung: „Wenn die Blutgefäße, die zum Penis führen, defekt oder teilweise zu sind, dann hat dieser Mann in den nächsten vier bis acht Jahren einen Schlaganfall“, mahnt Sommer.
„Aber das ist ein gutes Zeichen: Sie können noch genug tun. Es gibt kein besseres Frühwarnsystem.“ Oftmals bräuchten Männer nicht einmal Medikamente, es reiche eine Veränderung des Lebensstils.
Beckenbodenmuskeln spielen eine wichtige Rolle.
Schließlich sollte der Arzt auch die Kraft des Beckenbodens untersuchen, rät Sommer. „Die Beckenbodenmuskeln spielen für eine harte Erektion eine ganz entscheidende Rolle.“ Dann müssten die Nerven geprüft werden. Sind diese beschädigt, könne das Gehirn dem Penis nicht die Information geben, dass er eine Erektion kriegen soll. Zuletzt sollte die Zusammensetzung des Penis überprüft und Blut abgenommen werden.
Der Experte betont, dass Sildenafil nur bei Durchblutungsstörungen und psychologischen Problemen hilft. Bei kaputten Nerven, einem Hormonmangel oder einer Beckenbodenschwäche sei es vollkommener Unsinn, solche Mittel zu nehmen. „Deshalb ist eine gründliche Untersuchung der Beschwerden absolut wichtig.“
Können körperliche Faktoren ausgeschlossen werden, rückt die Psyche ins Blickfeld. „Der Körper kann eine Erektion haben, aber er streikt in bestimmten Situationen“, beschreibt der Diplom-Psychologe Rüdiger Wacker die Situation.
„Es ist ein guter Ansatz, so darüber nachzudenken“, sagt der Paar- und Sexualtherapeut aus Essen. „Die gemeinsame Arbeit besteht darin zu fragen, warum der Körper in dieser Sache streikt.“ Er sage ja nicht, „ich will grundsätzlich nicht mehr“, sondern vielmehr „ich will so oder so nicht“.
Erektion wird in einer Beziehung oft überhöht.
Oft sei es so, dass die Erektion in einer Beziehung zum zentralen Punkt der Sexualität überhöht werde, berichtet Wacker. „A wird in B gesteckt. Das ist wie so ein Spot-Licht, das auf das Glied gerichtet wird, und der Penis muss dann seine Hauptvorstellung geben.“ Alles richte sich auf die mechanische Penetration aus. „Aber weibliche Sexualität ist viel vielschichtiger als viele Männer denken.“
Die Lösung, die der Therapeut bereit hält, klingt etwas paradox: „Der Gedanke an die Erektion muss weit genug weg sein, damit die Erektion irgendwann wiederkommt.“ Das soll heißen, dass sich Paare mit anderen Bereichen ihrer Sexualität beschäftigen und herausfinden, was ihnen sonst noch alles Spaß macht.
Wacker hält dann höchstens den kurzen Einsatz von Potenzmitteln für unbedenklich – quasi wieder als Starthilfe für einen freien Kopf. „Sobald es regelmäßig wird, ist es falsch, dann steckt man in einer Abhängigkeit.“
Ist medizinisch und psychologisch abgeklärt, dass ein Potenzmittel für den Betroffenen eine Lösung für seine Erektionsprobleme bieten kann, muss noch geklärt werden, ob der Patient den Stoff verträgt. Zwei Wirkstoffe bei Herzleiden – Nitro und Molsidomin – vertragen sich nämlich nicht mit Sildenafil, erläutert Urologe Bühmann.
Kreislauf des Patienten muss belastbar sein.
Außerdem müsse der Kreislauf des Patienten grundsätzlich so belastbar sein, dass er auch Radfahren bei fünf Prozent Steigung aushält. „Das liegt aber nicht an dem Medikament, sondern an der Belastung beim Geschlechtsverkehr.“
Die Nebenwirkungen von Sildenafil und ähnlich wirkenden Stoffen seien nicht dauerhaft schädlich, sagt Bühmann. Manchmal trete zum Beispiel ein gewisses Wärmegefühl auf. Mit Alkohol verträgt sich die Arznei erst einmal auch.
„Chemische Probleme gibt es nicht.“ Wer aber zu viel trinke, bei dem wirke das Mittel nicht. „Das Problem ist dann eher der Alkohol selbst, die Lust zum Verkehr sinkt.“ Mehrere Pillen zu schlucken, sei nicht sinnvoll: „Es wirkt dadurch nicht besser.“
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