Prozess in Stuttgart: Deutsche Radprofis dopten sogar mit Viagra.
D ie Omertà, das Gesetz des Schweigens, hat vor allem für den deutschen Radsport in den vergangenen sechs Jahren immer mehr an Bedeutung verloren. Angestoßen durch das Buch des belgischen Masseurs Jef d’Hont über die Machenschaften im Team Telekom haben bis heute mindestens 14 deutsche Radprofis zugegeben, gedopt zu haben.
Der letzte von ihnen ist Ex-Profi David Kopp (34). „Ich wollte keinen Eiertanz mehr machen“, erklärte der Bonner nach seiner 140-minütigen Zeugenaussage am achten von mindestens 13 Verhandlungstagen des vermeintlichen Betrugsprozesses um den geständigen Dopingsünder Stefan Schumacher (31) in Stuttgart.
Kopp bestätigte Dopingpraktiken im früheren Gerolsteiner-Team. Er belastete die Sportärzte Mark Schmidt, Ernst Jakob und Giuliano Peruzzi sowie seinen Ex-Teamchef Hans-Michael Holczer stark. Gleichzeitig befreite Kopp, wie sein Kumpel Schumacher, alle seine ehemaligen Teamärzte von ihrer Schweigepflicht. Gegen die drei Ärzte plus Dr. Achim Spechter ermittelt die Staatsanwaltschaft Freiburg wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz.
Schumacher sagte aus, dass ihn Jakob am 19. September 2007 während der Spanien-Rundfahrt wegen angeblicher Schmerzen an der linken Achillessehne krankgeschrieben hat. Zudem habe ihm ein Teamarzt eine Kortisonspritze gegeben, um den WM-Start in Stuttgart acht Tage später erfolgreich zu gestalten. Die Einnahme von Kortison sei mit Teamärzten abgesprochen gewesen.
Nitrolingual aus dem Arztkoffer.
„Holczer wusste das, er hat sich die Gesundheitsbücher der Fahrer auch angesehen.“ Der wehrt sich seit Wochen: „Den Einsatz von Kortison habe ich immer abgelehnt.“ Kopp berichtete nun jedoch zudem über die Einnahme von Nitrolingual (für den Endspurt) aus dem Arztkoffer von Gerolsteiner. Teamkollege Markus Fothen habe vor einem Rennen sogar das Potenzmittel Viagra zur Weitung der Bronchien eingenommen.
Vor dem Stuttgarter Landgericht legte Kopp ein umfassendes Dopinggeständnis ab. „Die Mittel wurden nicht offensiv angeboten“, sagte er über seine Zeit bei Gerolsteiner. „Aber man konnte sich bei den Ärzten über alles von Belang austauschen – verboten oder nicht verboten.“ Ob Holczer davon wusste, könne er „nicht mit Sicherheit“ sagen. Aber „ich würde mal behaupten, dass sich mit den Ärzten über alle Themen unterhalten wurde.“ Holczer habe „engen Kontakt“ zu ihnen gehabt.
Konkret berichtete Kopp von Praktiken mit dem Dopingmittel Synacthen – und belastete damit Ex-Teamfahrer Sebastian Lang, der noch Anfang Mai Doping geleugnet hatte. „Der Arzt geht die Runde und fragt nach, und in der Regel haben die Injektionen dann im Zimmer des Arztes stattgefunden.“ In seiner Karriere griff Kopp, der 2009 wegen der Einnahme von Kokain zwei Jahre gesperrt worden war, zudem auf die verbotenen Mittel Epo und Cera zurück. „Das lief bis auf die Zeit beim Team Telekom in Eigenregie. Ich habe mich nur mit den Ärzten abgestimmt, wie viel ich wann nehmen kann.“ Anfang 2008 habe er „eine Spritze Cera“ genommen, 2004 „einfach mal“ Epo in einer Apotheke auf Mallorca gekauft.
Schumacher: Holczer wusste Bescheid.
Dem geständigen Schumacher wirft Staatsanwalt Peter Holzwarth vor, mit systematischem Doping seinen Ex-Chef Holczer hintergangen und sich einen „rechtswidrigen Vermögensvorteil“ von über 151.500 Euro erschlichen zu haben. Schumacher argumentiert, dass Holczer von seinen Dopingpraktiken wusste und deshalb nicht betrogen worden sein kann. Holczer behauptet, von Doping in seinem Rennstall nichts gewusst zu haben.
Um viel Geld ging es auch im zweiten Musterprozess gegen Schumacher, der am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt wurde. Erstmals befasste sich ein deutsches Zivilgericht mit dem Thema Schadensersatzhaftung wegen Dopings. Weil der Vorsitzende Richter Karl-Heinz Olschewitz „Gründe für arglistige Täuschung“ vorliegen sah, wurde Schumachers Berufung in zweiter Instanz abgewiesen: Er muss seinem ehemaligen Sponsor, der Fahrradzubehörfirma Trelock, 46.823,01 Euro zahlen, hinzu kommen 10.719 Euro Gerichtskosten.
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